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Ukraine-Krieg beeinflusst Arbeit der Ehe-, Familien- und Lebensberatung

Die Leiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen im Bistum Münster, Andrea Stachon-Groth, gibt Tipps zum Umgang mit Angst und Ohnmachtsgefühlen bzgl. des Ukraine-Kriegs.

EFL-Leiterin Andrea Stachon-Groth

Tipps zum Umgang mit Angst und Ohnmachtsgefühlen
Ukraine-Krieg beeinflusst Arbeit der Ehe-, Familien- und Lebensberatung


Münster (pbm/al). Die Balance zwischen Information und Anteilnahme sowie Ablenkung finden, Haltung und Solidarität zeigen und sich von Angst nicht lähmen lassen: Aus Sicht der Fachleute der Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum Münster (EFL) ist all das wichtig, um angesichts des Kriegs in der Ukraine mit den Auswirkungen und den verstörenden Bildern umzugehen. EFL-Leiterin Andrea Stachon-Groth rät außerdem, altersangemessen auf Fragen von Kindern zu reagieren, sie aber nicht mit ausufernden Erklärungen zu überfordern oder ihnen ein Gespräch über den Krieg ungefragt aufzudrängen.

Dass die Lage Ohnmachtsgefühle, Fassungslosigkeit und Ängste verursacht, ist laut Stachon-Groth verständlich und erklärbar: „Der Krieg ist nicht weit von Deutschland entfernt. Das löst ein anderes, bedrohlicheres Gefühl aus, als wenn ein Krieg auf einem anderen Kontinent ausbricht.“ Hinzu komme, dass „Erfahrungen und Ängste aus dem zweiten Weltkrieg auch in der Kriegsenkelgeneration noch emotional gespeichert“ seien. Die aktuelle Situation und die Bilder könnten „wie ein Trigger wirken, der alte Ängste und Erfahrungen aus früheren Zeiten, auch aus früheren Generationen wieder ins bewusste Erleben führt.“

Wichtig sei, Gefühle wahrzunehmen, zu benennen und zu unterscheiden, ob sie zur Gegenwart gehören oder ob es alte Gefühle sind, die an die Oberfläche kommen. Eine professionelle Beratung könne dabei unterstützen. In einer bedrohlichen Situation Angst zu entwickeln, sei normal. „Wenn es mir gelingt, einen Umgang damit zu finden, fühle ich mich wieder handlungsfähig, und nicht die Angst steuert mich“, sagt Stachon-Groth.

Ebenso wie schon im Umgang mit der Corona-Pandemie stehe man vor der Herausforderung, das individuell passende Maß an Informationen zu finden. „Allgemein sinnvoll ist es sicher, Zeiten festzulegen – nicht vorm Einschlafen – , wann und wie oft ich mich informiere und welche seriösen Nachrichtenkanäle ich nutze“, sagt die Fachfrau. Das sei besser, als ständig zwischendurch auf Social Media Kanäle zu starren und aus dem Alltag gerissen zu werden – zumal Bilder und Videos die Angst stärker triggerten als beispielsweise Zeitungsberichte. „Dadurch entsteht ein Sog, der für niemanden hilfreich ist: für mich nicht und auch nicht für die Menschen in den Kriegsgebieten“, betont Stachon-Groth.

Sie erläutert: „Wenn sich ein Gefühl einschleicht, ständig angespannt zu sein, sich nicht auf den Alltag konzentrieren zu können und handlungsunfähig zu fühlen, ist dies ein starkes Indiz dafür, mehr für Abstand zu sorgen und schöne, stärkende Erlebnisse in den Alltag bewusst einzubauen.“ Kraft schöpfen könne man schon durch kleine Dinge wie einen Spaziergang und Sonnetanken in der Natur, im Gebet, durch wohltuende zwischenmenschliche Begegnungen, gemeinsames Lachen und Mutzusprechen. Auch die Teilnahme an Solidaritäts- und Hilfsaktionen könne hilfreich sein. Letzteres wirke außerdem Ohnmachtsgefühlen entgegen: „Die Kriegssituation können wir nicht direkt beeinflussen, aber wir können sichtbar werden mit Haltung, Solidarität und Unterstützung. Hier hilft es, zu schauen, was ich in meinem Rahmen mit meinen Fähigkeiten tun kann.“ Selbst Kleinigkeiten wie das Aufstellen einer Kerze im Fenster wirken stärkend.

Eine Geste, die auch Kinder verstehen. Ihnen solle man altersgerecht erklären, wonach sie fragen. „Sachlich, kurz und knapp antworten ist besser als lange, überfordernde Erläuterungen“, sagt Stachon-Groth. Man soll vermitteln, dass Angst normal sei, dass der Krieg in Europa, aber nicht in Deutschland sei, und dass viele Menschen etwas tun, um die Lage zu verbessern. „Kinder brauchen ein Gefühl von Sicherheit, dass die Erwachsenen sich kümmern und Schutz geben“, begründet die Beraterin. Fördern könne man das kindliche Sicherheitsgefühl durch gemeinsame Aktivitäten und Zuwendung. Signalisiere ein Kind, dass ihm das Thema zu viel werde, solle man das Gespräch beenden. Umsicht sei auch bei der Mediennutzung geboten: „Kleinkinder sollten Bilder und Videos aus dem Kriegsgebiet nicht zu sehen bekommen. Ab dem Grundschulalter sind dosierte Medienberichte, zum Beispiel Kindernachrichten, im Beisein Erwachsener zumutbar.“ Auch hier müsse man auf die Reaktion achten.

Inzwischen, berichtet Andrea Stachon-Groth, schlage sich der Ukraine-Krieg auch in der EFL-Arbeit nieder. Die Situation verstärke das Belastungserleben vieler Klientinnen und Klienten. Bei älteren würden Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg wach. „Die Fälle dürften sich häufen“, vermutet Stachon-Groth, „die Betroffenheit durch den Krieg und die allgemeine Verunsicherung wirken wie ein zweites Brennglas neben Corona auf die vorhandene psychische Erschöpfung und die Problemsituationen.“

Im Gegenzug versuchten die Beraterinnen und Berater, „mit den Ratsuchenden Perspektiven zu erarbeiten, wie die zwischenmenschliche Verbundenheit und bei gläubigen Menschen die Verbundenheit mit Gott gestärkt werden kann, um wieder Lebensmut und Kraft zu spüren und Frieden zu verbreiten.“

 

Pressedienst Bistum Münster
04.03.2022

Matomo